Erich Kästner beantwortet diese Frage in seiner „kleinen Sonntagspredigt“ auf schlüssige Weise: Übertriebene Darstellung negativer Tatsachen mit mehr oder weniger künstlerischen Mitteln zu einem mehr oder weniger außerkünstlerischen Zweck. Und was ist letzterer? Der Satiriker „hält den Menschen einen Spiegel, meist einen Zerrspiegel vor, um sie durch Anschauung zur Einsicht zu bringen.“ Das ist sein eigentliches Hauptziel. Er ist also im Grunde ein Weltverbesserer und kein Nestbeschmutzer, wie oft behauptet wird. Heinrich
Heine findet eine
andere,
pointiertere Formel und bezeichnet einmal die Satire als Angriffswitz
(in: Die Deutsche Literatur von W. Menzel). Und er führt weiter
aus:
„Seitdem es nicht mehr Sitte ist, einen Degen zu tragen, ist es
durchaus
nötig, daß man Witz im Kopf habe.“ Ein geistiger, ja
möglichst
geistreicher Waffengang darf es nun sein, spritzig und voller „Esprit“,
mit dem Witz also, den man hat, im Unterschied zu dem, den man macht.
Doch
trotz aller Schärfe – Vergnügen, ästhetisches
Vergnügen
sollte die Satire schon bereiten, selbst noch in ihren galligen
Ausprägung
oder im schwarzen Humor. GEORGE GROSZ STRASSENECKE
Worin besteht der Angriffswitz
von George Grosz in seiner Lithographie „Straßenecke“ von 1915?
Handelt es sich um eine wirklichkeitsgetreue
Darstellung? Sicher nicht, denn
Grosz
hat einerseits mögliche positive Aspekte weggelassen – zum
Beispiel
Sonnenlicht oder etwa bei anders gewählter Jahreszeit einen
Springbrunnen,
Begegnungen auf der Straße oder freundliches Familienleben im
Haus
gegenüber –, und andererseits hat er die
negativen
überzeichnet. Es führt uns eine stumpfe, tierische
Gesellschaft
vor Augen, die sich selbst gar nicht so sehr weiterentwickelt hat,
sondern
eher ihre Technik, wie der Zug hinter den Wagen im Mittelgrund belegt.
Ist diese Gesellschaft so hinterhältig wie der Hund, der
anscheinend
gerade einer Frau in den Rock beißt? Welches sind die künstlerischen
Mittel von George Grosz im Dienst
seines außerkünstlerischen
Zwecks?
- H. Löffel -
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