RUSSISCHE  LITERATUR: Sergej Jessenin, Nikolaj Kljuev, Nikolaj Rubcov


Sergej  Jessenin (1895-1925)

До свиданья / Auf Wiedersehen (1925)


До сви‘данья, ‘друг мой, до сви‘данья.

‘Милый мой, ‘ты у мен‘я в гру‘ди.

Предназ‘наченное расста‘ванье

Обе‘щает вст‘речу впере‘ди.

 

Nun a‘dieu, mein ‘Freund, und auf ‘Wiedersehn.

‘Lieber, ich ‘nehm dich im ‘Herzen ‘mit.

Vor‘herbestimmtes Vonein‘andergehn

ver‘spricht auch, ‘dass man sich ‘wieder‘sieht.

До сви‘данья, ‘друг мой, без ру‘ки и ‘слова,

Не грус'ти и не пе‘чаль бро‘вей, -

В ‘этой ‘жизни уми‘рать не ‘ново,

Но и ‘жить, ко‘нечно, не но‘вей.



A‘dieu denn, mein ‘Freund, kein ‘Wort, kein ‘Händegeben,

sei ge‘fasst und dem ‘Kummer nicht ‘treu –

‘sterben ist nichts ‘Neues ‘hier im ‘Leben,

aber ‘leben ‘durchaus ‘auch nicht ‘neu.


© Übertragung von Hartmut Löffel
 Aus dem Essay "Sergej Jessenins letztes Gedicht in deutschen Übertragungen", Rjasan/ Konstantinovo 2012, COВРЕМЕННОЕ ЕСЕНИНОВЕДЕНИЕ, Nr. 22.



 
Hartmut Löffel:
Der Dichter Jessenin
 im Licht deutscher Literatur, Rabenflug, Kulturzeitschrift, Nr. 34 / Winter 2008/09, S. 12-23.
    
Russische Fassung /  Übersetzung von Jelena Mozart. COВРЕМЕННОЕ  ЕСЕНИНОВЕДЕНИЕ, 2009/ Nr.10, S. 9-30, Rjasan:

"На мой взгляд, это самое интересное и самое глубокое исследование творчества Есенина в русско-германском литературном контексте за всю историю русско-немецких
литературных связей."

Olga Woronowa Rjasan/ Konstantinowo



Nikolaj Kljuev, ein sogenannter Bauerndichter


Zweisprachiger Vorabdruck dreier Gedichte von Kljuev in "Jahrhundertbeginn",Tomsk 2008, Nr. 2 - dazu dreier Gedichte von Rubcov.

NEU: April 2009:
O Russland Nikolaj Kljuev (1884-1937) war mit Sergej Jessenin befreundet, konnte aber nie dessen Publizität erreichen. Bis heute ist fast gar nichts von ihm ins Deutsche übersetzt. In Russland selbst  wurde er nach seiner Erschießung durch den Geheimdienst lange Zeit totgeschwiegen. Erst 1960 rehabilitierte man ihn posthum, und 1976 erschien wieder ein Buch von ihm. 
Hartmut Löffel übertrug 28 Gedichte ins Deutsche. Die Auswahl erscheint mit 3 Gedichten von Valerij Domanskij, dem Schriftsteller und Kljuev-Forscher in Tomsk.

NIKOLAJ KLJUEV
Gedichte, zweisprachig:
104 Seiten, Hardcover,
Wiesenburg-Verlag,
Preis: 14, 90 E.

Bestellungen direkt beim Verfasser:
Talfeldverlag@t-online.de



Nikolaj Kljuev: Tropfende Hütten, die Straße (1914 oder 1915)


Талы избы, дорога,
Буры пни и кусты,
У лосиного лога
Четки елей кресты.
 
На завалине лыжи
Обсушил полудняк.
Снег дырявый и рыжий,
Словно дедов армяк.
 
Зорька в пестрядь и лыко
Рядит сучья ракит,
Кузовок с земляникой –
Солнце метит в зенит.
 
Дятел – пущ колотушка –
Дразнит стуком клеста,
И глухарья ловушка
На сегодня пуста.
 

 



 


Tropfende Hütten, die Straße,

braune Stümpfe, Gebüsch,
vor der Elchschlucht die nassen
Fichtenkreuze wie frisch.

Auf dem Erdwall paar Ski,
windgetrocknet am Tag.
Schnee so rot und so löchrig wie
Großvaters alter »armjack«.

Morgenröte, bunt und wie Bast,
schmückt die Bruchweiden mit
und den Korb, der Erdbeeren fasst –
die Sonne zielt zum Zenit.

Buntspecht – Trommler des Waldes –
neckt den Kreuzschnabel dreist,
und die Auerhahnfalle
bleibt für heute verwaist.

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(Arm’jack= Bauernrock bzw. Bauernkittel)


(Seite 55)

© Wiesenburg-Verlag



REZENSIONEN

Aus der Besprechung von Ilma Rakusa in der Neuen Zürcher Zeitung vom 18. 3. 2010, Nr. 64, Seite 50:
                
Begnadeter russischer Sonderling

  Seit seiner Rehabilitierung Ende der fünfziger Jahre gilt dieser altgläubige Orphiker als Entdeckung: wie er Dorf und Landschaft, Bäume und Bauern, die verstorbene Mutter und das gefährdete «Mütterchen Heimat» in zärtlichen und visionären Bildern beschwört in einer (von der Volks- und liturgischen Dichtung beeinflussten) Sprache, die altertümliche Wendungen mit kühnen Wortneuschöpfungen vermischt.
Kein Leichtes für russische Leser, geschweige denn für Übersetzer. Hartmut Löffel ist das Wagnis eingegangen und legt erstmals eine rund dreissig Gedichte umfassende Auswahl aus Kljujews umfangreichem poetischem Œuvre in einer zweisprachigen Ausgabe vor. Frühe Gedichte von 1905 sind darin ebenso zu finden wie die ergreifende «Wehklage um Jessenin» (1926) und der aus dem Todesjahr stammende Selbstnachruf «Zwei Länder gibt's: das Krankenhaus links ». Auch wenn der Transfer ins Deutsche hürden- und tückenreich ist (und mitunter auf mangelhafte Vorlagen zurückgegriffen wurde), ahnt man doch die unverwechselbare, naturmythische Bilderwelt und die liedhafte Tonalität von Kljujews Poesie.

Aus der Besprechung von Karlheinz Kasper im Berliner "Neuen Deutschland" vom 7.6. 2010, Seite 15:

Klopf ich beim Kerl, der Särge macht ...

Hartmut Löffel, um Rhythmus, Wohlklang und Verständlichkeit bemüht, hat 28 Gedichte einfühlsam übersetzt und damit die erste Auswahl aus dem Schaffen Kljujews in Deutschland herausgebracht. In den meist zwischen 1907 und 1916 entstandenen Texten ist der Dichter mit den Jahreszeiten, Wäldern und Feldern, Birken und Kiefern, Gras und Blumen auf du und du. Häufige Motive sind das Weiße Meer mit der „Trauminsel Solowezk“ und die Mutter am Spinnrad. Gott, der Teufel und die Heiligen bewegen sich wie selbstverständlich unter den Menschen. Das abschließende Gedicht von 1937 zeigt, wie dem verbannten Kljujew zumute war: „Zwei Länder gibt´s: das Krankenhaus links –/ rechts den Friedhof, zwischen beiden/ die Kiefernkette, so trüb wie rings/ die tristen Tannen und Weiden.// Ich tapp am düsteren Wald entlang,/ die Krücke verschwand in der Nacht,/ und wie der Kuckuck im Sprechgesang/ klopf ich beim Kerl, der Särge macht…

(Siehe auch in: "Osteuropa", Heft 12, 2010, S. 143/ 144.)

Aus der Besprechung von
N. Е
. Nikonova, Dozentin der staatlichen Universität von Tomsk: In: Начало века, Tomsk, 2009. № 3. S.19-20.

Grundsätzlich wichtig ist, dass es Hartmut Löffel gelingt, mit der Anschaulichkeit des Bildes seine Klangwirklichkeit nicht zu schmälern. Die poetischen Bilder nördlicher Natur und des bäuerlichen Alltagslebens und die einmal biblisch erhöhte, ein andermal dialektal umgangssprachliche christliche und heidnische Symbolik seiner „Sprachbilder“ finden ihre adäquate Entsprechung in der Übersetzung des deutschen Autors. Besonders gelungen sind unserer Meinung nach die Übertragungen der Gedichte „Kleine Espe” («Осинушка»), „Wie lieb ich die ziehenden Zigeuner“ («Я люблю цыганские кочевья») und die „Wehklage um Jessenin” («Плач о Есенине»).

Aus der Besprechung von R. Ju. Danilewskij, Sankt Petersburg: In Literatura ruskaja, Journal Nr. 4, 2011.

Hartmut Löffel – der deutsche Übersetzer der Dichtung Kljuevs machte sich mutig ans Werk. Und sagen wir gleich, dass diese Arbeit gute Früchte getragen hat. Unter der Feder des Übersetzers lassen sich die Verse Kljuevs immerhin manchmal „singen“. Anders, in etwas anderem Rhythmus, mithilfe anderer Laute, aber der Liedcharakter des Originals wird dem deutschen Leser vermittelt, der besondere lyrische Charakter, der auf der Wahrnehmung des Lauts, ebenso des Geruchs, der Farbe, physischer Empfindungen beruht, die von besonderer Symbolik erfüllt sind.





Nikolaj Rubcov
ein Klassiker
der Moderne

Herausgegeben. und übersetzt von Raymond Dittrich, Tamara Kudrjawzewa
und Hartmut Löffel. Der unter tragischen Umständen mit 35 Jahren ums Leben gekommene Nikolaj Rubcov (1936-1971) zählt heute zu den populärsten Lyrikern Rußlands.
Erstmals wird dem deutschsprachigen Leser eine Auswahl seiner Gedichte in Übersetzung und im russischen Original in Buchform vorgestellt.
"Diese Poesie überzeugt durch die frische und unverbrauchte
Sprache des Dichters." (Axel Kutsch)  

Wiesenburg Verlag, Schweinfurt 2004, ISBN 3-937101-41-1, 160 Seiten,
18,80 Euro
http://www.wiesenburgverlag.de/




Das Buch ist vergriffen.


В ГОРНИЦЕ

В горнице моей светло.
Это от ночной звезды.
Матушка возьмет ведро,
Молча принесет воды...
IN DER STUBE

In die Stube fällt der Schein
eines Sterns und hält mich wach,
Mutter kommt noch leis herein,
füllt den Wassereimer nach ...

Красные цветы мои

В садике завяли все.
Лодка на речной мели
Скоро догниет совсем.

Meine Blumen waren rot,
alle sind sie mir verblüht,
auf der Sandbank unser Boot
modert, morsch und altersmüd.

Дремлет на стене моей
Ивы кружевная тень,
Завтра у меня под ней
Будет хлопотливый день!

Nur der Weidenschatten liegt
hell durchbrochen auf der Wand,
Mühen, die der Morgen schickt,
sind mir draußen zuerkannt.

Будут поливать цветы,
Думать о своей судьбе,
Буду до ночной звезды
Лодку мастерить себе...

(1965)


Und ich gieß mein Blumenbeet,
grübelnd, welches Los mir droht,
bis der Stern am Himmel steht,
bau ich mir ein festes Boot.


(S. 33)


   Übersetzt von Hartmut Löffel
© Wiesenburg-Verlag

 
Schwäbische Zeitung vom Montag, 27. Dezember 2004 / Nr. 300 (Regionale Kultur)

Interview mit Hartmut Löffel
Von Achim Zepp

„Nikolaj Rubcovs Gedichte sind gelebt“

Komm, Erde“ heißt ein neu erschienener Band mit Gedichten des russischen
Dichters Nikolaj Rubcov. Der Biberacher Schriftsteller Hartmut Löffel hat die 
Gedichte zusammen mit Raymond Dittrich übersetzt.

Herr Löffel, wie kommt ein Biberacher Schriftsteller dazu, russische
Gedichte zu übersetzen?

Das „Institut für Weltliteratur“ in Moskau hat in diesem Jahr die Übersetzung meines Theaterstücks „Der listige Lazarus, Annäherungen an Heinrich Heine“ veröffentlicht. Dem ging eine monatelange Zusammenarbeit zwischen der Übersetzerin Dr. Tamara Kudrjawzewa und mir voraus. Ihr Projekt, Gedichte von Nikolaj Rubcov zu übertragen, war damals bereits mit Raymond Dittrich im Gang. Da ich von der Lyrik herkomme, die russische Literatur schätze und auch relativ gut kenne, schien ich noch ein weiterer geeigneter Partner für eine Übertragung zu sein. Wohlgemerkt, für eine Übertragung! Das bedeutete: Wahrung der Rhythmik, der Metaphorik und des Reims – wenn es ging. Eine Quadratur des Kreises letztlich! Doch ich meine, wir haben uns ganz gut geschlagen.

Wer ist Nikolaj Rubcov?

Bei Nikolaj Rubcov, der von 1936 bis 1971 lebte, handelt es sich um einen der populärsten modernen Dichter Rußlands, eigentlich bereits um einen Klassiker der Moderne – um einen unruhigen, hochsensiblen Menschen, der seine Heimat weithin durchstreift und ins Gedicht hereingezogen hat. Sein Leben, insbesondere seine Jugend, war allerdings auch mehr als schwierig. Als Siebenjähriger kam er ins Waisenhaus, mit 16 vagabundierte er durchs Land, mit 18 war er Heizergehilfe auf einem Fischkutter, seinen Militärdienst leistete er als Matrose bei der Nordmeerflotte ab, um anschließend als Schlosser im Leninggrader Kirov-Werk vorerst zu „ankern“. In dieser Zeit publizierte er seine ersten Gedichte. Man lernt ihn kennen, wenn man seine Gedichte liest!

Warum sollte man ihn lesen?

Diese Gedichte sind gelebt, und man spürt als Leser sehr stark, daß sie Frucht seiner persönlichen Erfahrungen sind. Sie sind aber auch gleichzeitig Ausdruck russischer Kultur: nicht der Avantgarde, sondern der slawophilen Richtung, auf deren Werte man sich heute wieder besinnt. So verwundert es nicht, daß etliche seiner Gedichte von verschiedenen Komponisten vertont worden sind und auch öffentlich vorgetragen werden. Etwas, was es bei uns heute so gut wie nicht mehr gibt, aber – denken wir z. B. an Vertonungen von Heinegedichten – durchaus einmal gegeben hat. Warum sich also nicht in diese „Andersartigkeit“ einlesen oder gar einhören. Es gibt CDs.

Die Gedichte liegen im russischen Original und in deutscher Übersetzung
vor. Warum eine zweisprachige Ausgabe?

Man braucht natürlich den russischen Text nicht, um das deutsche Gedicht verstehen zu können. Aber wer Russisch lesen kann – und das sind nicht wenige hierzulande –, vermag auch den Übertragungsvorgang nachzuvollziehen und natürlich auch das Unübersetzbare wie den Klang oder sprachliche Besonderheiten, z. B. wie Rubcov immer wieder gleichlautende Silben häuft, mitzuhören. Unser Hauptanliegen ist es aber, diesen Lyriker im deutschsprachigen Raum zum ersten Mal in einer größeren Auswahl vorzustellen.

Nikolaj Rubcov, Komm Erde; Ausgwählte Gedichte, Russisch und Deutsch, Wiesenburg Verlag Schweinfurt, 2004.

 

Veranstaltung in Moskau am 21. Mai 2005


Biberach, 27. Mai 2005, Schwäbische Zeitung

Rubcov-Museum ehrt Hartmut Löffel

BIBERACH/MOSKAU (sz) Der Schriftsteller Hartmut Löffel ist am 21. Mai Gast im Rubcov-Museum in Moskau gewesen. Löffel übersetzte Gedichte des russischen Dichters Nikolaj Rubcov zusammen mit Raymond Dittrich ins Deutsche. Das Buch "Komm, Erde" erschien Ende 2004.

Nach Hartmut Löffels zwanzigminütigem Vortrag über Rubcov im Licht der deutschen Literatur und aus der Übersetzerperspektive fanden Rezitationen und ein Konzert statt. Vertonte Gedichte Rubcovs wurden gesungen, wiederholt sogar mit Löffels deutschem Text aus dem Buch "Komm, Erde" (Wiesenburg-Verlag). Am Eingang des Rubcov-Museums steht zur Zeit ein Schaukasten mit Ansichten von Biberach, dem Interview der SZ-Biberach mit Hartmut Löffel und auch mit Büchern von ihm. Löffel schenkte dem Museum ein Buch über Biberach und seinen Band "Ein Biberacher Märchen und andere zauberhafte Geschichten". Beides war sehr willkommen. Am Schluss bekam Hartmut Löffel von der Rubcov-Stiftung eine Ehrenurkunde verliehen. Hartmut Löffels Eindruck von der Veranstaltung: "Überwältigend." Das russische Fernsehen hat Mitschnitte gemacht und Löffel ausführlich interviewt. Die Sendung wird heute, Freitag, um 16.15 Uhr deutscher Zeit ausgestrahlt, und zwar vom Kulturkanal. Manche können ihn hier empfangen.
 

mit Maja Andrejevna Polëtova, der Gründerin des Rubcov-Museums, neben einer Büste des Dichters Rubcov