Über den Autor Hartmut Löffel

Aus einem Gespräch mit dem Schwäbischen Merkur*
 



Merkur: Herr Löffel, Sie haben mittlerweile als Autor neun Bücher vorgelegt. Wie sehen Sie Ihre Entwicklung?

Löffel: Biografisch oder künstlerisch?

Merkur: Hängt nicht beides zusammen? Sie sind in Stuttgart geboren: ein Schwabe also?

Löffel: Ja, ein waschechter. Aufgewachsen bin ich aber in Tübingen, habe  dort 1945 den Einmarsch erlebt, dann die Schule besucht und später auch gleich noch die Universität. Das Angebot war reichlich, also blieb ich da.

Merkur: Und was haben Sie studiert?

Löffel: Germanistik und Romanistik.

Merkur: Literatur also.

Löffel: Das ist richtig. Ich komme in der Tat von der Literaturwissenschaft her, mit ein paar Veröffentlichungen dazu, und dann hat mich besonders die Frage interessiert, was literarischer Kitsch ist und wie man ihn vermeidet, außerdem die Satire, was sie ist und kann. Die Praxis schloss sich nahtlos an. Meine ersten Gedichte, Gartengewächse sozusagen (im Anhang zu den Kunstgriffen  findet man sie abgedruckt), sind der Versuch, mit "gefährlichen" Sujets umzugehen und sie formal zu entschärfen bzw. zu meistern.  Zunehmend satirisch sind sie dann in meinem ersten ausschließlich mit Lyrik bestückten Gedichtband Lebenswaage, und die Prosa ist bei mir ohne satirischen Einschlag gar nicht zu denken. Das hängt sicher auch mit den gesellschaftlichen Umbrüchen und Tendenzen der sechziger und siebziger Jahre zusammen, die mich als Lehrer am Gymnasium einerseits betrafen - die Schüler waren höchst aufsässig - und andererseits eingehend theoretisch beschäftigten.

Merkur: Auffällig ist, dass Sie satirische  Kritik an Ihrer Umgebung festmachen: Sowohl die Kunstgriffe als auch Ein Biberacher Märchen zwiebeln Ihre unmittelbaren Landsleute. Mit Anfeindungen als Folge?

Löffel: Gut, man hangelt sich zwangsläufig  an seinen Erfahrungen und Wahrnehmungen entlang, verfremdet sie etwas und verpasst ihnen ein wenig den Schein der Fiktion. Wer hier wohnt, hat freilich manchmal den Genuss oder den Ärger, die Quelle zu kennen. Aber man grollt nur im Hintergrund. Auch im schwäbischen Sibirien ist man mittlerweile nach außen hin tolerant!
Oder man ignoriert einfach die lästige Existenz!

Merkur: Drei Bücher Lyrik, fünf Bücher Prosa. Heraus fällt das Schauspiel Der listige Lazarus über Heinrich Heine. Warum gerade er?

Löffel: Heine war Satiriker! Mit ihm habe ich mich besonders genau auseinandergesetzt. Das Heinejahr 1997 war dann der äußere Anlass zu meinem Schauspiel. Ich hatte mir aber durchaus schon sehr lange vorher dieses zweiteilige Stück im Kopf zurechtgelegt. Der erste Teil sollte einen Lazarus zeigen, der das Leiden mitleidheischend übertreibt, und der zweite einen gezeichneten, der es ironisch herunterspielt und tapfer bagatellisiert. Und so ist es dann auch geworden.

Merkur: Wurde es aufgeführt?

Löffel: Leider noch nicht. Zürich und Bregenz schickten ermutigende  Beurteilungen, aber Heine ist kein Zugpferd. Über eine szenische Lesung in Ochsenhausen bin ich nicht hinausgekommen.

Merkur: Mit Resonanz in Biberach?

Löffel: Da kennen Sie aber die Leute einer solchen oberschwäbischen Kleinstadt schlecht: Die haben noch am liebsten die mittelalterlichen Mauern um sich herum - um ihre Köpfe! Schützenfeste, dramatische Volkskunst, folkloristische Nabelschau! Das ist die Hauptsache. Und dann gilt auch ein unausrottbarer Leitspruch, nämlich, wie ich's immer sage: "Wer nicht von weit her ist, mit dem kann es nicht weit her sein!" Sie werden - wetten wir? - in diesem schmucken Städtchen mit 30 000 Einwohnern keine fünfzig Exemplare von meinem Stück finden. Dafür steht es wenigstens in einigen der großen Bibliotheken Deutschlands - und sein Titel  in der Heine-Bibliographie. Und das Stück ist ins Russische übersetzt worden und in Moskau erschienen. Im letzten Jahr (2006) fand sogar eine szenische Lesung am dortigen Gorki-Literaturinstitut statt. Studenten haben sich damit auseinandergesetzt:

Lesung aus dem Lazarus in Moskau





    Im April 2006:
    Szenische Lesung in Moskau aus dem "Listigen Lazarus".
    Russische Studenten in der Rolle von Heinrich Heine, Mathilde Heine  und Julius Campe.

 


Merkur:
Und wie weit haben Sie sich schon wegbewegt, um in günstiger Entfernung zu sein? Sind Sie irgendwo Mitglied?

Löffel
: Beim deutschen Schriftstellerverband, bei der Künstlergilde Esslingen, beim Literaturforum Oberschwaben und beim Forum Allmende.  Ausbruchsversuche aus der Rißeiszeit nach zwei Seiten also, vor allem in die schwäbische Metropole! Nicht umsonst begleiten Bilder zweier Stuttgarter Maler, Manfred Henninger und Michael Lesehr, die Gedichte meiner letzten Lyrikbände Zeit und Endzeit und Wechselnde Beleuchtung. Das von mir herausgegebene Dialektbuch Kraut ond Rüaba tut ein übriges und findet recht guten Anklang.

Merkur: Ebenfalls ein Single! Was hat Sie daran so interessiert?

Löffel: Einmal mein Stuttgarter Namensvetter, nach dem in Degerloch eine Straße benannt ist und von dem ich manches schon als Kind kannte, dann vor allem die farbige Palette des Schwäbischen, mit dem ich ja aufgewachsen bin, und als Herausgeber die Tatsache, dass es zwischen 1910 und 1945 keine schwäbische Literaturgeschichte gibt. Niemand hat systematisch gesammelt oder diese Zeit auch nur ansatzweise in Zusammenhängen dargestellt. Mein Buch kann ein Baustein dazu sein.

Merkur: Fahren Sie auf dieser Schiene weiter?

Löffel: Nein, es ist, wie Sie sagen, ein Single. Das Vorhaben hat mich immerhin ein Jahr Recherche gekostet - bis alles zusammengetragen und gesichtet war- und natürlich vom eigenen Schreiben abgehalten. Allerdings wird es demnächst durch einen Aufsatz in der Zeitschrift "Schwäbische Heimat", dem Forum des Schwäbischen Heimatbundes,  ergänzt. Es geht dabei  um die Beziehungen zwischen  den nach Amerika ausgewanderten Schwaben und den dagebliebenen, um Exportierte Heimat vor allem: so lautet der Titel. Und mein Namensvetter oder alias "Knöpfle", der Stuttgarter Mundartautor, spielt eine Hauptrolle dabei.

Merkur: Welche weiteren Pläne haben Sie?

Löffel: Zunächst erscheinen 2007 zwei Lyrikbändchen mit meinen letzten Gedichten, vielleicht sogar meinen allerletzten: Wartezimmergedichte mit Kräutersegen heißt das eine.  Darüber hinaus  erscheint eine sehr interessante Anthologie, die sich mit Oberschwaben als Landschaft des Fliegens befasst, nämlich mit  seinen wichtigsten Flugpionieren. Was meine Erzählungen betrifft, so ist mein zweitgrößter Wunsch, die noch unbekannten Geschichten im Zusammenhang zu veröffentlichen, sozusagen als Anschlussband an den 2004 erschienen Erzählband Die Anfälligkeit für Fallen. Die Solisten waren der Anfang dieser "Trilogie"

Merkur: Darf man schon den Titel erfahren?

Löffel: "Im Alleingang" -  nur ein vorläufiger Hauptnenner!

Merkur: Und Ihr größter Wunsch?

Löffel: Genau! Da gibt es doch noch einen Roman, der schon über 25 Jahre in meinem Schreibtisch liegt: Schmerzpunkte oder Die Kunst, zu überleben. Immerhin erhielt ich für ein Kapitel daraus einen wichtigen Literaturpreis. 

Merkur: Dann wünschen wir Ihnen einen neugierigen Verleger!

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*Mit freundlicher Genehmigung des Verlags.


Kulturseite der Schwäbischen Zeitung vom 14. November 2005:

BIBERACH (ach) Der Biberacher Schriftsteller Hartmut Löffel erhält heute Abend in Augsburg den Bayerisch-Schwäbischen Literaturpreis verliehen. Es handelte sich dabei um einen literarischen Wettbewerb zum Thema "Krieg und Frieden".

Hartmut Löffel beteiligte sich an dem Wettbewerb mit einem Kapitel aus seinem noch unveröffentlichten Roman "Schmerzpunkte oder die Kunst, zu überleben". Die Geschichte spielt in einer oberschwäbischen Kleinstadt (!) und hat zwei Zeitebenen: 1945 und 1978, die sich pointiert abwechseln. Löffel scheint nun also auch hierzulande Fuß zu fassen, nachdem er im Mai in Moskau dank seiner Übersetzung von Gedichten des russischen Lyrikers Nicolaj Rubcov ein großes Echo erfahren hatte. Über die Buchpräsentation in der Moskauer Bibliothek Nr. 95 schrieb die Zeitung des russischen Schriftstellerverbandes im Juni: "Wider Erwarten erwies sich die Präsentation des Buches ,Komm, Erde' in deutscher und russischer Sprache als außergewöhnliches Ereignis hinsichtlich des in unseren Tagen mehr und mehr sich abzeichnenden gegenseitigen Verständnisses zweier großen Literaturen, der russischen und der deutschen."
Das Buch sei eine Sensation und eine bibliophile Rarität. Und der Komponist Maxim Kozlov lobte bei dieser Veranstaltung, das Buch sei wie ein Fenster zur russischen Dichtung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Für deutsche und für russische Leser sei es jedenfalls ein kostbares Geschenk.

Hartmut Löffel zusammen mit Maja Andrejevna Polëtova, der Gründerin des Rubcov-Museums,
in Moskau an einer Büste des russischen Dichters Nikolaj Rubcov.
Hartmut Löffel war im Mai nach Moskau eingeladen,
weil er Gedichte Rubcovs ins Deutsche übertragen hat.
Heute erhält er in Ausgsburg den Bayerisch-Schwäbischen Literaturpreis.

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